Die Subjektive Kamera im Film gilt weithin als ein problematisches Stilmittel, das (zumindest im Mainstream-Kino) nur als »vorübergehende Einlage« (Brinckmann 1997) möglich ist und im Wesentlichen ein Nischendasein fristet (bspw. im Horrorfilm). Für eine Art 'First-Person-Film' erscheint diese filmische Technik eher unbrauchbar.
Jedoch zeigt sich für das postmoderne/postklassische Kino, dass es sich bei der Subjektiven Kamera keinesfalls um eine »unter-sagte Perspektive« (Speck 1999), sondern um ein in vielfältigen Variationen verbreitetes Stilmittel handelt. Denn das im filmwissenschaftlichen Diskurs immer wieder prominent angeführte Scheitern des (fast) komplett mit einer Subjektiven Kamera realisierten Film Noir Lady in the Lake demonstriert letztlich keinesfalls die ›Unbrauchbarkeit‹ dieser filmischen Technik, sondern zeigt vielmehr, dass es sich um ein oft schwer zu beherrschendes Darstellungsmittel handelt, welches jedoch, wenn es richtig eingesetzt (und eingebunden) wird, eine außerordentliche visuelle Kraft entwickeln kann (bspw. in Le Scaphandre et le papillon).
Der Ansatzpunkt des Seminars ist, die Subjektive Kamera nicht einfach nur als eine perspektivische Darstellungsform, sondern als eine Subjektivierungsstrategie zu begreifen, welche innerhalb eines Korpus’ weiterer Techniken verortet werden muss, die das Geschehen an die Perspektive einer Figur binden – dazu gehören bspw. Bildstilisierungen als Repräsentation einer gestörten Wahrnehmung, Voice-over oder auch Träume und Halluzinationen. Diese Strategien sollen anhand von Fallbespielen (bspw. Strange Days, Being John Malkovich, The Eye, Crank) auf induktive Weise in ihren Variationen erschlossen werden.